Kapitel 3: Grundlagen des Messebaus – Die Kunst der temporären Architektur
Nachdem wir die historische Entwicklung und die wirtschaftliche Bedeutung des Messewesens beleuchtet haben, widmet sich dieses Kapitel den fundamentalen Grundlagen des Messebaus. Der Messebau ist eine spezialisierte Disziplin, die weit mehr umfasst als nur das Errichten von Wänden und das Aufstellen von Möbeln. Er ist die Kunst und Wissenschaft, temporäre Architekturen zu schaffen, die Markenbotschaften transportieren, Produkte inszenieren und effektive Kommunikationsräume auf Zeit bieten. Wir definieren den Begriff Messebau, grenzen ihn von verwandten Disziplinen ab und untersuchen die verschiedenen Typen von Messeständen, ihre charakteristischen Funktionsbereiche sowie die gängigen Materialien und Konstruktionsprinzipien. Dieses Kapitel legt das Fundament für das Verständnis der praktischen Umsetzung von Messeauftritten und ist essenziell für jeden, der im Bereich Messedesign und Standrealisierung tätig ist.
3.1 Definition und Abgrenzung: Was ist Messebau?
Messebau bezeichnet die umfassende Planung, die kreative Gestaltung und die technische Realisierung von temporären Ausstellungsarchitekturen. Diese kommen primär auf Messen und Ausstellungen, aber auch bei ähnlichen Veranstaltungen wie Kongressen oder Firmenevents zum Einsatz. Als interdisziplinäres Feld agiert der Messebau an der Schnittstelle von Architektur, Messedesign, Marketing und Eventmanagement. Er erfordert somit sowohl ausgeprägte gestalterische Fähigkeiten als auch fundierte technische Expertise.
Obwohl der Messebau Überschneidungen mit anderen Disziplinen aufweist, unterscheidet er sich in wesentlichen Punkten:
- Abgrenzung zur Architektur: Im Gegensatz zur klassischen Architektur, die auf Dauerhaftigkeit und Langlebigkeit ausgelegt ist, ist das prägende Merkmal des Messebaus sein temporärer Charakter. Ein Messestand wird für eine klar definierte, kurze Nutzungsdauer konzipiert und muss schnell auf- und wieder abgebaut werden können. Dies stellt spezifische Anforderungen an Konstruktion, Materialität und Messelogistik.
- Abgrenzung zur Innenarchitektur: Während die Innenarchitektur bestehende, permanente Räume gestaltet, schafft der Messebau eigenständige, oft freistehende räumliche Strukturen innerhalb einer vorgegebenen Messehalle oder auf einer Freifläche. Er definiert den Raum neu, anstatt nur vorhandenen Raum zu gestalten.
- Abgrenzung zum Eventdesign: Das Eventdesign fokussiert auf die Inszenierung eines zeitlich eng begrenzten Erlebnisses oder Moments. Der Messebau hingegen schafft primär Räume für Präsentation und Kommunikation, die über die gesamte Messedauer von mehreren Tagen hinweg funktionieren und unterschiedliche Nutzungsanforderungen erfüllen müssen.
- Abgrenzung zum Ladenbau: Obwohl beide Disziplinen das Ziel der Produktpräsentation verfolgen, ist der Ladenbau auf eine langfristige, oft jahrelange Nutzung ausgelegt und unterliegt anderen baulichen, sicherheitstechnischen und gestalterischen Anforderungen als der temporäre Messestand.
Zusammenfassend lässt sich der Messebau durch folgende spezifische Charakteristika kennzeichnen: Er ist temporär, oft modular aufgebaut, muss transportfähig sein (was den Messetransport relevant macht), erfordert einen schnellen Auf- und Abbau, integriert multifunktionale Bereiche und erfüllt eine zentrale kommunikative Funktion als dreidimensionales Medium für Marken und ihre Botschaften.
3.2 Arten von Messeständen: Die passende Form für jeden Auftritt
Die Wahl des Standtyps ist eine grundlegende strategische Entscheidung bei der Messeplanung. Sie wird durch die Platzierung innerhalb der Messehalle bestimmt und beeinflusst maßgeblich die Sichtbarkeit, die Zugänglichkeit sowie die gestalterischen und funktionalen Möglichkeiten des Messestandes. Man unterscheidet vier Haupttypen:
- Reihenstand (Ein-Seiten-Stand): Dies ist der am häufigsten vorkommende und in der Regel kostengünstigste Standtyp. Er ist nur zu einer Seite, zum Besuchergang hin, offen und grenzt an drei Seiten an Nachbarstände oder Hallenwände. Seine Sichtbarkeit und Zugänglichkeit sind naturgemäß begrenzt, was eine klare Fokussierung der Gestaltung auf die offene Front erfordert. Die Herausforderung im Messedesign liegt hier darin, trotz der begrenzten Frontfläche maximale Aufmerksamkeit zu erzielen, eine einladende Atmosphäre zu schaffen und den Raum effizient zu nutzen.
- Eckstand (Zwei-Seiten-Stand): Der Eckstand öffnet sich zu zwei Gängen, meist an einer Kreuzung gelegen, und bietet dadurch eine deutlich erhöhte Sichtbarkeit und bessere Zugänglichkeit von zwei Seiten. Er grenzt nur noch an zwei Seiten an Nachbarn. Dies eröffnet flexiblere Gestaltungsmöglichkeiten und erlaubt die Kommunikation über zwei Hauptansichten. Die gestalterische Herausforderung besteht darin, beide Fronten harmonisch zu einem kohärenten Gesamtbild zu verbinden und eine klare Besucherführung zu gewährleisten.
- Kopfstand (Drei-Seiten-Stand): Dieser Standtyp ist zu drei Seiten hin offen und grenzt nur noch mit seiner Rückwand an einen Nachbarstand oder eine Hallenwand. Er bietet eine sehr hohe Sichtbarkeit aus verschiedenen Richtungen und vielfältige Zugangsmöglichkeiten. Dies eröffnet dem Messedesign große Freiheiten, erfordert aber auch eine klare Strukturierung, um Orientierung zu bieten. Die Rückwand wird hier oft zu einem zentralen gestalterischen Element.
- Blockstand (Inselstand): Der Blockstand, auch Inselstand genannt, ist zu allen vier Seiten hin offen und komplett von Besuchergängen umgeben. Er bietet die maximale Sichtbarkeit und Zugänglichkeit und wird oft von großen Unternehmen für umfangreiche Präsentationen genutzt. Die Gestaltungsfreiheit ist hier am größten, da keine direkten Nachbarn berücksichtigt werden müssen. Die Herausforderung liegt in der Entwicklung eines überzeugenden 360-Grad-Konzepts, das Orientierung bietet und eine ausgewogene Balance zwischen Offenheit und definierten Funktionsbereichen schafft. Der Messebau solcher Stände ist oft besonders aufwendig.
Neben diesen klassischen Typen existieren Sonderformen, die spezifische Vorteile bieten können. Ein Brückenstand überspannt einen Gang und verbindet zwei gegenüberliegende Standflächen, was eine enorme Fernwirkung erzeugt. Ein Durchgangsstand integriert einen Besuchergang in die Standfläche und ermöglicht eine gezielte Lenkung der Besucher. Mehrgeschossige Stände nutzen die vertikale Dimension für zusätzliche Fläche und erhöhte Aufmerksamkeit, stellen aber hohe Anforderungen an Statik und Messebau. Freigeländestände außerhalb der Hallen eignen sich besonders für großformatige Exponate.
Die Auswahl des geeigneten Standtyps sollte immer auf Basis der spezifischen Messeziele, des Budgets, der zu präsentierenden Inhalte und der angestrebten Kommunikationsstrategie erfolgen.
3.3 Funktionsbereiche eines Messestandes: Struktur für Kommunikation und Präsentation
Ein gut konzipierter Messestand ist mehr als nur eine Ausstellungsfläche. Er integriert verschiedene Funktionsbereiche, die auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Besucher und die Ziele des Ausstellers zugeschnitten sind. Die optimale Aufteilung und Gewichtung dieser Zonen ist entscheidend für einen reibungslosen Ablauf und den Erfolg des Messeauftritts.
- Eingangs- und Empfangsbereich: Dies ist die Visitenkarte des Standes, die Schnittstelle zum Besuchergang. Hier wird der erste Eindruck geprägt, der Aussteller klar identifiziert und Orientierung geboten. Oft dient ein Empfangstresen als Anlaufpunkt. Eine einladende, barrierefreie Gestaltung ist hier ebenso wichtig wie Eye-Catcher, die Aufmerksamkeit generieren. Dieser Bereich kann auch als Filter dienen, um relevante Besucher gezielt anzusprechen.
- Präsentationsbereich: Das Herzstück des Standes dient der Darstellung von Produkten, Dienstleistungen und Kernbotschaften. Ob durch Produktdisplays, Vitrinen, multimediale Systeme oder interaktive Installationen – hier sollen Informationen vermittelt, Erlebnisse geschaffen und die Marke vom Wettbewerb abgegrenzt werden. Das Messedesign konzentriert sich hier auf die optimale Inszenierung.
- Kommunikationsbereich: Dieser Bereich ermöglicht den Dialog mit Besuchern in unterschiedlichen Intensitäten. Stehtische eignen sich für kurze Informationsgespräche, während Sitzgruppen oder abgeschirmte Besprechungskojen Raum für ausführliche Beratungen oder vertrauliche Verhandlungen bieten. Auch kleine Präsentationsflächen für Gruppen können hier integriert werden.
- Catering- und Hospitality-Bereich: Die Bewirtung von Besuchern schafft eine angenehme Atmosphäre, verlängert die Verweildauer am Stand und signalisiert Gastfreundschaft. Ob eine kleine Kaffeebar, eine großzügige Lounge oder ein abgetrennter Bewirtungsbereich – dieser Bereich fördert entspannte Gespräche und hinterlässt einen positiven Eindruck.
- Back-Office und Lagerbereiche: Für Besucher meist unsichtbar, aber essenziell für den Betrieb, sind die funktionalen Hintergrundbereiche. Hier werden Materialien, Werbemittel und persönliche Gegenstände des Personals gelagert, die Technik gesteuert oder administrative Aufgaben erledigt. Abschließbare Schränke, eine Garderobe und eventuell ein kleiner Arbeitsplatz sind typische Elemente. Die Messelogistik für die Versorgung dieser Bereiche muss gut geplant sein.
- Sonderbereiche: Je nach Branche und Messeziel können weitere spezialisierte Zonen sinnvoll sein, wie z. B. Demonstrationsflächen für Live-Vorführungen, Workshop-Bereiche, exklusive VIP-Lounges oder sogar Showbühnen für größere Präsentationen.
Die Kunst im Messebau und Messedesign besteht darin, diese verschiedenen Funktionsbereiche logisch anzuordnen, fließende Übergänge zu schaffen und sie optimal an die zur Verfügung stehende Fläche und die definierten Messeziele anzupassen.
3.4 Materialien im Messebau: Vielfalt für Funktion und Ästhetik
Die Wahl der Materialien ist ein entscheidender Faktor im Messebau, der Ästhetik, Funktionalität, Kosten und zunehmend auch die Nachhaltigkeit eines Messestandes maßgeblich beeinflusst. Die Palette verfügbarer Materialien ist breit und reicht von klassischen Werkstoffen bis hin zu innovativen Neuentwicklungen.
- Holz und Holzwerkstoffe: Holz bleibt ein beliebtes Material im Messebau. Massivholz verleiht eine natürliche, warme Ästhetik, wird aber aufgrund von Gewicht und Kosten oft nur für Akzente oder Möbel eingesetzt. Vielseitiger sind Holzwerkstoffe wie Sperrholz (stabil und relativ leicht), MDF-Platten (ideal für glatte, lackierte Oberflächen) oder OSB-Platten (kostengünstig, mit charakteristischer Optik). Bei nachhaltiger Forstwirtschaft (erkennbar an FSC- oder PEFC-Siegeln) ist Holz eine umweltfreundliche Wahl.
- Metalle: Metalle wie Aluminium (leicht, korrosionsbeständig, ideal für Profilsysteme), Stahl (sehr stabil, für Tragkonstruktionen) oder Edelstahl (hochwertige Optik) verleihen Ständen einen modernen, technischen oder industriellen Charakter. Sie sind langlebig und gut wiederverwendbar, ihre Herstellung ist jedoch energieintensiv.
- Kunststoffe: Kunststoffe bieten enorme gestalterische Freiheit und funktionale Vorteile wie geringes Gewicht und gute Bedruckbarkeit. Acrylglas (Plexiglas) für transparente Elemente, PVC-Hartschaumplatten für Grafiken oder Verbundplatten wie Dibond (Aluminium-Kunststoff-Mix) sind gängige Beispiele. Die ökologische Bewertung und Recyclingfähigkeit von Kunststoffen erfordert jedoch besondere Aufmerksamkeit.
- Textilien: Stoffe gewinnen im modernen Messedesign an Bedeutung. Elastische Spannstoffe ermöglichen großflächige, nahtlose Grafiken. Bedruckte Banner, Vorhänge oder textile Wandverkleidungen bieten gestalterische Flexibilität und können zudem die Raumakustik verbessern. Ihr geringes Gewicht ist ein Vorteil für Messetransport und Messelogistik.
- Glas und transparente Materialien: Echtglas (meist Sicherheitsglas) oder leichtere Alternativen wie Acrylglas schaffen Offenheit, Eleganz und Transparenz. Sie eignen sich für Vitrinen, Trennwände oder architektonische Akzente, sind aber oft schwerer und/oder kratzempfindlicher als andere Materialien.
- Verbundmaterialien und Systembauteile: Speziell für den Messebau entwickelte Systeme, oft basierend auf Aluminiumprofilen, ermöglichen einen schnellen, modularen Auf- und Abbau. Leichte Sandwich- oder Wabenplatten bieten hohe Stabilität bei geringem Gewicht.
- Nachhaltige und innovative Materialien: Der Trend geht klar zu umweltfreundlicheren Alternativen. Recycelte Materialien, biobasierte Kunststoffe, schnell nachwachsende Rohstoffe wie Bambus oder sogar Bauelemente aus Karton oder Pilzmyzel finden zunehmend Anwendung im nachhaltigen Messebau.
Die Materialauswahl ist immer eine Abwägung zwischen Designanspruch, Funktionalität, Budget, Transportfähigkeit und ökologischen Aspekten und sollte integraler Bestandteil des Messedesign-Prozesses sein.
3.5 Konstruktionsprinzipien und Statik: Sicherheit auf Zeit gebaut
Obwohl Messestände temporäre Bauten sind, müssen sie hohe Sicherheitsstandards erfüllen und statisch einwandfrei sein. Die Konstruktion muss das Eigengewicht, die Nutzlasten durch Besucher und Exponate sowie gegebenenfalls Windlasten sicher aufnehmen und in den Hallenboden ableiten können. Stabilität gegen Kippen und Verschieben sowie ausreichende Aussteifung sind essenziell.
Im Messebau haben sich verschiedene Konstruktionssysteme etabliert:
- Rahmenkonstruktionen: Sie bilden ein stabiles Grundgerüst aus vertikalen Stützen und horizontalen Riegeln, oft aus Aluminiumprofilen oder Holz.
- Modulare Systeme: Standardisierte, wiederverwendbare Bauteile (z. B. aus Aluminium) ermöglichen einen schnellen Auf- und Abbau und hohe Flexibilität. Sie sind besonders effizient in Bezug auf Messelogistik und Lagerung.
- Traversensysteme: Leichte, aber hochbelastbare Aluminiumgitterträger eignen sich besonders für Überkopfkonstruktionen zur Aufnahme von Beleuchtung, Medientechnik oder bannern.
- Selbsttragende Konstruktionen: Nutzen die Eigensteifigkeit von Platten oder Verbundelementen, um mit minimalen Stützen auszukommen.
- Hybridkonstruktionen: Kombinieren verschiedene Systeme, um deren jeweilige Vorteile optimal zu nutzen.
Die Verbindungstechniken spielen eine entscheidende Rolle für Stabilität, Montagezeit und Wiederverwendbarkeit. Klassische Schraubverbindungen sind stabil, aber zeitaufwendig. Steck-, Klemm-, Klett- oder zunehmend auch Magnetverbindungen ermöglichen einen schnelleren, oft werkzeuglosen Auf- und Abbau, was im Messebau mit seinen engen Zeitfenstern von großem Vorteil ist.
Die spezifischen Herausforderungen des Messebaus – Transportfähigkeit, schneller Auf-/Abbau, Anpassungsfähigkeit, Wiederverwendbarkeit und Gewichtsbeschränkungen – prägen die Wahl der Konstruktionsprinzipien und Materialien maßgeblich.
Sicherheitsaspekte sind von höchster Priorität. Für größere oder komplexe Stände können statische Nachweise erforderlich sein. Materialien müssen in der Regel mindestens der Brandschutzklasse B1 (schwer entflammbar) entsprechen. Fluchtwege müssen freigehalten und gekennzeichnet werden. Elektrische Installationen unterliegen strengen Vorschriften (VDE) und müssen geprüft werden. Vor Messebeginn erfolgt in der Regel eine offizielle Abnahme des Messestandes durch die Messegesellschaft und gegebenenfalls Behörden. Die enge Zusammenarbeit zwischen Messedesign, Konstruktion und ausführendem Messebau ist unerlässlich, um ästhetische Visionen sicher und regelkonform umzusetzen.

Frau Andra Busse
Projektmanagement
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Tel. +49 (0)4181 9212 36
abusse@mdsmessebau.de

Herr Karsten Niemann
Geschäftsführer