Kapitel 2: Geschichte des Messewesens – Von antiken Märkten zu globalen Plattformen
Die Geschichte der Messen ist untrennbar mit der Entwicklung des Handels, der Urbanisierung und des kulturellen Austauschs verbunden. Um die heutige Bedeutung und die komplexen Strukturen des modernen Messewesens – einschließlich Messebau, Messedesign und Messelogistik – vollständig zu verstehen, lohnt sich ein Blick zurück auf die Ursprünge und die prägenden Entwicklungslinien dieses faszinierenden Wirtschaftszweiges. Dieses Kapitel zeichnet die historische Entwicklung nach, von den ersten Handelstreffen der Antike über die Blütezeit der mittelalterlichen Messen bis hin zu den tiefgreifenden Veränderungen durch Industrialisierung, Weltausstellungen und die digitale Transformation.
2.1 Ursprünge und frühe Entwicklung: Die Wurzeln in Antike und Mittelalter
Die Wurzeln dessen, was wir heute als Messe kennen, reichen weit zurück zu den Märkten und Handelstreffen der Antike. Bereits im alten Ägypten, in Mesopotamien und im antiken Griechenland existierten reguläre Märkte, auf denen Händler ihre Waren feilboten. Diese frühen Handelsplätze waren oft eng mit religiösen Festen verknüpft, was ihnen nicht nur einen besonderen Schutzstatus, sondern auch eine überregionale Anziehungskraft verlieh. Im Römischen Reich entstanden an strategisch wichtigen Verkehrsknotenpunkten permanente Marktplätze, die sogenannten Foren, die als frühe Vorläufer späterer Messeplätze gelten können.
Im Mittelalter entwickelten sich aus diesen lokalen Märkten die ersten überregionalen Messen, die Händler aus weiten Teilen Europas anzogen. Besonders prägend waren die Champagne-Messen in Frankreich, die vom 12. bis zum 14. Jahrhundert mehrmals jährlich stattfanden. Diese über Wochen andauernden Veranstaltungen waren straff organisiert, mit festgelegten Zeiträumen für Warenanlieferung, Verkauf und Finanztransaktionen. Neben der Champagne etablierten sich weitere bedeutende mittelalterliche Messeplätze, darunter die Frankfurter Messe (seit 1150, kaiserliches Privileg seit 1240) und die Leipziger Messe (seit 1165, Reichsmessprivileg seit 1497), aber auch Lyon gewann ab dem 15. Jahrhundert an Bedeutung.
Diese mittelalterlichen Messen waren weit mehr als reine Handelsplätze. Sie fungierten als Zentren des kulturellen Austauschs, der Informationsverbreitung und förderten maßgeblich die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Standorte. Spezialisierte Dienstleistungen wie das Bankwesen, der Messetransport und das Gastgewerbe entstanden und professionalisierten sich im Umfeld dieser Großveranstaltungen. Ein entscheidender Erfolgsfaktor waren die von Landesherren oder Kaisern verliehenen Messeprivilegien. Diese garantierten besonderen Rechtsschutz (den sogenannten Messefrieden), gewährten Zollvergünstigungen und sicherten das Recht zur regelmäßigen Abhaltung der Messen. Solche Privilegien verschafften den Messestädten erhebliche wirtschaftliche Vorteile und stärkten ihre Position im überregionalen Handel nachhaltig.
2.2 Industrialisierung und Weltausstellungen: Neue Dimensionen und Professionalisierung
Die Industrialisierung im 19. Jahrhundert führte zu einem grundlegenden Wandel im Messewesen. Die traditionellen Warenmessen, bei denen physische Güter gehandelt wurden, wichen zunehmend den Mustermessen. Auf diesen präsentierten Hersteller ihre Produkte anhand von Mustern und nahmen Bestellungen entgegen. Die Leipziger Messe vollzog diesen Paradigmenwechsel 1895 als erste reine Mustermesse. Dieses innovative Konzept ermöglichte es Ausstellern, mit deutlich geringerem logistischem Aufwand – insbesondere im Bereich Messetransport und Lagerung – eine wesentlich größere Produktvielfalt zu präsentieren. Das Modell der Mustermesse verbreitete sich rasch und wurde zum dominierenden Standard im europäischen Messewesen.
Parallel dazu entstand mit den Weltausstellungen eine neue, beeindruckende Form der Präsentation. Die erste dieser Art, die „Great Exhibition of the Works of Industry of All Nations“, fand 1851 in London im eigens dafür errichteten Crystal Palace statt. Weltausstellungen dienten weniger dem direkten Handel als vielmehr der Zurschaustellung technischer Errungenschaften, kultureller Leistungen und der nationalen Selbstdarstellung. Bedeutende Weltausstellungen wie London 1851 (Crystal Palace als architektonische Revolution), Paris 1889 (Eiffelturm) oder Chicago 1893 (die „White City“) setzten neue Maßstäbe in der Ausstellungsarchitektur, im Messedesign und in der thematischen Konzeption. Sie beeinflussten das Messewesen nachhaltig und führten zur Entwicklung spezialisierter Berufsfelder im Ausstellungsdesign und -management.
Im Zuge der Industrialisierung erfolgte zudem eine zunehmende Spezialisierung der Messen nach Branchen. Es entstanden spezifische Fachmessen für Industriezweige wie Maschinenbau, Textil oder Elektrotechnik. Gleichzeitig professionalisierte sich die Messeinfrastruktur mit der Gründung spezialisierter Messegesellschaften und dem Bau permanenter Ausstellungsgelände, was auch die Anforderungen an den Messebau und die Messelogistik weiterentwickelte.
2.3 Messen im 20. Jahrhundert: Wachstum, Internationalisierung und technischer Fortschritt
Das 20. Jahrhundert war geprägt von tiefgreifenden politischen, wirtschaftlichen und technologischen Umbrüchen, die das Messewesen nachhaltig beeinflussten. Nach dem Ersten Weltkrieg erlebten Messen zunächst einen Aufschwung als Instrumente des wirtschaftlichen Wiederaufbaus und der nationalen Repräsentation. Neue Messestandorte wie Köln (1924) und Düsseldorf (1947) entstanden in Deutschland. Die Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre dämpfte diese Entwicklung jedoch.
Nach dem Zweiten Weltkrieg spielten Messen eine zentrale Rolle beim wirtschaftlichen Wiederaufbau und der Wiederbelebung internationaler Handelsbeziehungen. Die 1947 als „Exportmesse“ gegründete Hannover Messe avancierte zum Symbol des deutschen Wirtschaftswunders und zur weltweit führenden Industriemesse. In dieser Ära des wachsenden Wohlstands entstanden auch spezialisierte Konsumgütermessen wie die Internationale Funkausstellung (IFA) in Berlin oder die Internationale Möbelmesse in Köln.
Ab den 1970er Jahren setzte eine starke Internationalisierung des Messewesens ein. Deutsche Messegesellschaften begannen, ihr Know-how zu exportieren und Tochterveranstaltungen im Ausland zu gründen (z. B. Hannover Messe in China, USA; Kölnmesse mit globalem Portfolio). Gleichzeitig entstanden neue Messezentren in aufstrebenden Wirtschaftsregionen Asiens und des Nahen Ostens. Diese Globalisierung führte zu einem intensiveren Wettbewerb der Messestandorte und zu einer Konsolidierung unter den Messegesellschaften, wobei die internationale Messelogistik und der Messetransport immer komplexer wurden.
Parallel dazu revolutionierten neue Bautechniken und Materialien die Messearchitektur und den Messebau. Traditionelle Hallen wichen großflächigen, flexibel nutzbaren Konstruktionen mit beeindruckenden Spannweiten. Meilensteine wie die Neue Messe Leipzig (1996) mit ihrer ikonischen Glashalle oder die Neue Messe Stuttgart (2007) mit ihrer durchdachten Logistik setzten neue Standards. Der temporäre Messebau entwickelte sich zu einer eigenständigen Designdisziplin, die innovative Konzepte für modulare, wiederverwendbare und zunehmend auch nachhaltige Messestand-Architekturen hervorbrachte.
2.4 Digitale Transformation und moderne Messekonzepte: Die Ära des "Phygital"
Seit den 1990er Jahren hat die digitale Revolution das Messewesen tiefgreifend verändert und zu neuen Formaten und Konzepten geführt. Moderne Messen integrieren zunehmend digitale Elemente, um das Besuchererlebnis zu bereichern, die Reichweite zu erhöhen und die Effizienz zu steigern. Digitale Besucherführungssysteme, Matchmaking-Plattformen, Augmented-Reality-Anwendungen für interaktive Produktpräsentationen und das Live-Streaming von Veranstaltungen sind heute verbreitete Instrumente. Diese Verschmelzung von physischen und digitalen Erlebnissen wird oft als „Phygital“ bezeichnet.
Neben der digitalen Anreicherung physischer Messen haben sich eigenständige virtuelle Formate etabliert, von reinen Online-Messen mit virtuellen Messeständen bis hin zu digitalen Showrooms und Webinaren. Die COVID-19-Pandemie ab 2020 wirkte hier als Katalysator und beschleunigte die Akzeptanz hybrider Messekonzepte, die physische Präsenz mit digitaler Teilnahme kombinieren, erheblich.
Gleichzeitig wandelte sich der Charakter von Messen im Zuge der „Experience Economy“. Erlebnis, Emotion und Storytelling treten neben die reine Produktpräsentation. Inszenierte Markenerlebnisse, interaktive Installationen und unterhaltsame Begleitveranstaltungen prägen zunehmend das Bild moderner Messen und stellen neue Anforderungen an Messedesign und Messebau.
Ein weiteres prägendes Thema seit den 2000er Jahren ist die Nachhaltigkeit. Die Entwicklung umweltfreundlicher Messestand-Konzepte, der Einsatz nachhaltiger Materialien, energieeffiziente Messegelände und die Kompensation von CO2-Emissionen sind zentrale Herausforderungen. Die Kreislaufwirtschaft gewinnt im Messebau an Bedeutung, getrieben durch gesellschaftliche Erwartungen und regulatorische Vorgaben. Dieser Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit stellt einen fundamentalen Paradigmenwechsel für die gesamte Branche dar und beeinflusst alle Bereiche von der Planung über die Messelogistik bis hin zum Messetransport.

Frau Andra Busse
Projektmanagement
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Herr Karsten Niemann
Geschäftsführer